27. Januar 2025
Schaufenster
Schaufenster: Nachrichten aus Auschwitz
von Jüdisches Museum Wien & Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus
Am 27. Jänner 1945 wurde Auschwitz-Birkenau, das größte nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager, von der Roten Armee befreit. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch ca. 7000 überlebende Häftlinge im Lager, zum Großteil in den Krankenbaracken zurückgelassen, einige versteckt die Befreiung abwartend. Die SS hatte das Lager schon verlassen und war in Richtung Westen geflohen. In den Monaten vor der Befreiung waren zigtausende Häftlinge evakuiert und in sogenannten Todesmärschen in Konzentrationslager Richtung Westen verbracht worden – viele von ihnen nach Mauthausen in Oberösterreich.
© Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus
Über 1,1 Mio. Menschen waren in Auschwitz und seinen Außenlagern ermordet worden: als rassisch verfolgte Jüdinnen und Juden sowie Rom:nja und Sinti:zze, aber auch Pol:innen, politische Gefangene, Zeug:innen Jehovas und Homosexuelle oder von den Nationalsozialisten als „Asoziale“ oder „Verbrecher“ kategorisierte Menschen sowie russische Kriegsgefangene. Unter den nach Auschwitz Deportierten waren mehr als 17.000 Österreicher:innen, nur wenige von ihnen überlebten. Zudem gab es 163 namentlich identifizierte Angehörige der Wachmannschaft und Lager SS aus Österreich, zum Teil in zentralen Funktionen des Lagers.
1947 wurde das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zum Museum erklärt und als Gedenkstätte eingerichtet. Den „Opferländern“ wurde in den folgenden Jahren die Möglichkeit gegeben, in den ehemaligen Häftlingsblocks des „Stammlagers“ (Auschwitz I) eigene Ausstellungen zu gestalten, um ihrer nationalen Opfer zu gedenken. Österreich, das sich noch lange nach Ende des Kriegs als erstes Opfer des Nationalsozialismus definierte, nahm diese Möglichkeit wahr: 1978 wurde diese Ausstellung, die noch unter wesentlicher Beteiligung österreichischer Auschwitz-Überlebender entstand, eröffnet.
Nachdem sich Österreich zunehmend ab den späten 1980er-Jahren zu seiner Rolle im Nationalsozialismus und der daraus resultierenden Verantwortung bekannte, wurde von der österreichischen Bundesregierung eine inhaltliche Neugestaltung beschlossen. Im Oktober 2021 wurde die neue österreichische Ausstellung mit dem Titel „Entfernung. Österreich und Auschwitz“ im Erdgeschoß des Block 17 eröffnet.
Die österreichische Ausstellung verbindet in den dort erzählten Geschichten von Täter:innen und Opfern die beiden Orte Österreich und Auschwitz. Sie zeigt, dass Biographien in Österreich begannen, in Auschwitz durch Ermordung ein Ende nahmen oder auch von dort wieder nach Österreich zurückführten. Die Ausstellung trennt aber auch die beiden Orte: Objekte, die aus Österreich stammen, wurden nur virtuell in die Ausstellung integriert, während alle Originalobjekte, die dort zu sehen sind, aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz stammen oder sich in der Lagerzeit dort befanden. An einem zentralen Platz innerhalb der Ausstellung findet sich ein digitales Gästebuch, in das Besucher:innen ihre Gedanken schreiben oder auch zeichnen können.
© Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus
Der Logik der Ausstellung folgend, sind diese Gedanken zwar Teil der Ausstellung, haben jedoch viel mehr mit österreichischer Erinnerungskultur zu tun als mit dem historischen Ort Auschwitz selbst. Sie gehören daher zu und nach Österreich. Aus diesem Grund verschwinden die geschriebenen oder gezeichneten Reflexionen Sekunden später vom Bildschirm des digitalen Gästebuchs und werden nach Österreich geschickt, wo sie vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus gesammelt werden.
Auf der Homepage der Ausstellung www.auschwitz.at, im Haus der Geschichte Österreich und zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz auch im öffentlichen Raum im Schaufenster des Jüdischen Museums Wien, tauchen sie wieder auf. Wie von Geisterhand geschrieben sehen wir Nachrichten aus der Gedenkstätte Auschwitz, geschrieben und gezeichnet von Besucher:innen aus aller Welt. Was gezeichnet und geschrieben wird, ist unterschiedlich: Topoi der Erinnerungskultur wie „Niemals vergessen“ finden sich ebenso wie sehr persönliche Gedanken oder auch nur banale Bemerkungen – zusammen sind sie jedoch Spiegel unserer Gesellschaft und ihrer Beziehung zum Holocaust.
Statistik zu den veröffentlichten Einträgen (Stand 23.01.2025):
Bis Ende Januar 2025 hat der Nationalfonds über 3000 Einträge in mehr als 30 Sprachen zur Veröffentlichung freigegeben:
- Arabisch
- Baskisch
- Chinesisch
- Dänisch
- Deutsch
- Englisch
- Estnisch
- Flämisch
- Französisch
- Georgisch
- Griechisch
- Hebräisch
- Italienisch
- Koreanisch
- Kroatisch
- Litauisch
- Niederländisch
- Polnisch
- Portugiesisch
- Romanes
- Rumänisch
- Russisch
- Schwedisch
- Slowakisch
- Spanisch
- Tschechisch
- Türkisch
- Ukrainisch
- Ungarisch
- Weißrussisch
Die meisten Einträge sind auf Deutsch (979) und Englisch (733) verfasst. Die Einträge liegen in verschiedenen Formaten vor: 2.094 schriftliche Kommentare, 499 Zeichnungen und 517 Einträge, die eine Kombination aus Text und Zeichnung sind.
© Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus