27. November 2025
Kolumne aus der Direktion
Reflexionen im Dezember
von Barbara Staudinger
Ein ganz besonderes Jahr geht zu Ende, ein Jubiläumsjahr, in dem wir die Eröffnung des weltweit ersten Jüdischen Museums vor 130 Jahren gefeiert haben. Wie immer nimmt man sich zu solchen Anlässen viel vor – und so auch wir. Den Auftakt bildete eine am 9. November 2024 in Gedenken an die Novemberpogrome veranstaltete Fundraising-Gala in New York, die wir auf Einladung von Christie’s in deren wunderschönen Räumlichkeiten im Rockefeller Center abhalten durften. Wenige Tage zuvor war in den USA gewählt worden, der neue Präsident stand schon fest und das traditionell demokratische New York war entsprechend verunsichert. Was sollte nun auf die Welt zukommen?
Dieses Gefühl von Unsicherheit, das ich damals in New York erlebt habe, hat – wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen – trotz aller Höhepunkte, trotz aller schönen Erlebnisse unser Jahr 2025 im Jüdischen Museum Wien begleitet. Damals, im November 2024, waren die israelische Geiseln bereits seit über einem Jahr im Gazastreifen festgehalten und bis zum 13. Oktober 2025 begleitete die jüdischen Gemeinden in der ganzen Welt die Angst um deren Schicksal, der Kampf um ihre Freilassung und das Mitgefühl mit ihren Familien und Freund:innen, deren Apelle immer verzweifelter wurden. Ebenso immer hoffnungsloser wurde die Lage im durch den Krieg weitgehend zerstörten Gazastreifen, die Bevölkerung konnte nicht mehr humanitär versorgt werden, es herrschte Hunger. Die schlussendliche Freilassung aller übrigen lebenden Geiseln und das Waffenstillstandsabkommen brachten nur kurz Erleichterung, denn ob irgendwann Frieden kommen würde, war und ist bis heute ungewiss. Was blieb, sind gespaltene Gesellschaften in der ganzen Welt, ein gravierend gestiegener Antisemitismus und Angst innerhalb der jüdischen Bevölkerung, in Europa und auch in Österreich. Dies hat uns nicht nur 2025 begleitet, sondern wird es sicherlich auch länger.
Museen sind politische Ort, die den öffentlichen Diskurs nicht nur widerspiegeln, sondern ihn auch begleiten, lenken und moderieren. Wir haben uns genau überlegt, wie wir die Veränderungen in der Welt, in Wien, nach dem 7. Oktober 2023 nicht nur erzählen, sondern auch Menschen zum Nachdenken anregen, zum Diskutieren bringen und einander auf Augenhöhe begegnen lassen können. Denn wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben, sondern Menschen miteinander zu verbinden. Unsere Installation im Project Space des Museums „Kein Platz für Diskussion? Über den Zustand der Welt nach dem 7. Oktober 2023“ war ein Zusammenbringen von jüdischen und muslimischen, israelischen und palästinensischen, von europäischen und Wiener Stimmen und ein Plädoyer für Ambiguitätstoleranz, das Aushalten von anderen Meinungen, dem Akzeptieren von unterschiedlichen Erfahrungen und eine Aufforderung respektvoll miteinander zu diskutieren. Und das hat in dieser kleinen Intervention gut funktioniert. An einer Stelle konnten sich Besucher:innen dazu äußern, wie sie die Ausstellung wahrgenommen hatten oder wie sich ihre Welt nach dem 7. Oktober 2023 verändert hatte. Ein englischsprachiger Eintrag ist mir dabei ganz besonders in Erinnerung geblieben: „Ich bin nur ein jüdisches Kind, ich kann nichts verändern. Daher kann ich nur weinen.“ Einen Raum, der sich diesem Weinen und dem Entsetzen nach dem 7. Oktober 2023 aus jüdischer Perspektive widmete, gab es übrigens bereits in der Ausstellung „Die dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“, die uns unglaublich viele Zuschriften aus aller Welt und viele neue Verbindungen mit Menschen, deren Vorfahren aus Wien stammen, brachte – und uns trotz aller Unsicherheit die Sicherheit gab, dass das Jüdische Museum Wien ein so wichtiger Ort für viele ist – ein Ort, der Menschen miteinander verbindet.
Wie in der Intervention konnten unsere Besucher:innen sich auch in unserer Jubiläumsausstellung „G*tt. Die großen Fragen zwischen Himmel und Erde“ einbringen. Die dank vieler großzügiger Sponsor:innen mit einzigartigen Judaica und internationalen Kunstwerken ausgestattete Ausstellung näherte sich dem Phänomen Gott in sieben Fragen an und bot ganz unabhängig von der eigenen Beziehung zum Göttlichen genug Raum die großen Fragen unserer Existenz zu reflektieren und sich auch auf der interaktiven Station „Gottesfinsternis?“ gedanklich verewigen. Denn über den Zustand der Welt machen sich heute – ob gläubig oder nichtgläubig, ob jüdisch oder nichtjüdisch – viele Gedanken. Oft sind diese Gedanken mit Angst verbunden, wie unsere sorgfältig kuratierte gleichnamige Schau im Museum Judenplatz gezeigt hat, oder mit Gedenken, wie dies die folgende Ausstellung „Sag mir, wo die Blumen sind… 80 Jahre nach dem Krieg – Fotografien von Roger Cremers“, die noch bis zum 16. Jänner zu sehen ist, erfahren lässt. 2025 haben wir in Österreich 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs und damit die Befreiung vom Nationalsozialismus gefeiert. In ganz Europa gibt es Gedenkstätten und Orte, an denen den Gräueln des Kriegs und den Menschenverbrechen des Holocaust gedacht wir. Aber ist unsere unsere Gedenkkultur ausreichend? Was erinnern wir und was haben wir verdrängt? Und wie erinnern wir, wie verhalten wir uns im Gedenken? Um diese und viele andere Fragen geht es in den klugen Fotografien von Roger Cremers.
Jubiläen gehen zu Ende und sind gleichzeitig auch ein Beginn von etwas Neuem. Am 23. November haben wir das Jubiläumsjahr mit einem Tag der offenen Tür mit freiem Eintritt und einem dichten Führungs- und Vermittlungsprogramm begangen. So viele Menschen waren da, viele interessante Gespräche durfte ich führen, viele spannende Fragen beantworten. Besonders neugierig waren die Besucher:innen auf unsere neue Wechselausstellung „Schwarze Juden, Weiße Juden? Über Hautfarben und Vorurteile“ und für viele hat sich mit dieser Ausstellung eine neue (jüdische) Welt aufgetan – Sie können diese außergewöhnliche Schau noch bis April 2026 erleben.
Im Rückblick war das Jahr 2025 durch viele Unsicherheiten gekennzeichnet, aber es gab auch viele schöne Momente – innerhalb und außerhalb des Museums. Tolle Eröffnungen, spannende Diskussionen, etwa mit Ronen Steinke, Götz Aly oder Eva Illouz, schönes Feedback unserer Besucher:innen, Aktionstage (Seniorenmittwoch und Happy Friday), die gute Laune verbreitet haben, auch in einer schwierigen Zeit. Daran erinnern wir uns alle gerne, weil wir daraus Kraft und unsere Freude an der Museumsarbeit schöpfen – 2025 und auch nächstes Jahr.
Dieses Gefühl von Unsicherheit, das ich damals in New York erlebt habe, hat – wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen – trotz aller Höhepunkte, trotz aller schönen Erlebnisse unser Jahr 2025 im Jüdischen Museum Wien begleitet. Damals, im November 2024, waren die israelische Geiseln bereits seit über einem Jahr im Gazastreifen festgehalten und bis zum 13. Oktober 2025 begleitete die jüdischen Gemeinden in der ganzen Welt die Angst um deren Schicksal, der Kampf um ihre Freilassung und das Mitgefühl mit ihren Familien und Freund:innen, deren Apelle immer verzweifelter wurden. Ebenso immer hoffnungsloser wurde die Lage im durch den Krieg weitgehend zerstörten Gazastreifen, die Bevölkerung konnte nicht mehr humanitär versorgt werden, es herrschte Hunger. Die schlussendliche Freilassung aller übrigen lebenden Geiseln und das Waffenstillstandsabkommen brachten nur kurz Erleichterung, denn ob irgendwann Frieden kommen würde, war und ist bis heute ungewiss. Was blieb, sind gespaltene Gesellschaften in der ganzen Welt, ein gravierend gestiegener Antisemitismus und Angst innerhalb der jüdischen Bevölkerung, in Europa und auch in Österreich. Dies hat uns nicht nur 2025 begleitet, sondern wird es sicherlich auch länger.
Museen sind politische Ort, die den öffentlichen Diskurs nicht nur widerspiegeln, sondern ihn auch begleiten, lenken und moderieren. Wir haben uns genau überlegt, wie wir die Veränderungen in der Welt, in Wien, nach dem 7. Oktober 2023 nicht nur erzählen, sondern auch Menschen zum Nachdenken anregen, zum Diskutieren bringen und einander auf Augenhöhe begegnen lassen können. Denn wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben, sondern Menschen miteinander zu verbinden. Unsere Installation im Project Space des Museums „Kein Platz für Diskussion? Über den Zustand der Welt nach dem 7. Oktober 2023“ war ein Zusammenbringen von jüdischen und muslimischen, israelischen und palästinensischen, von europäischen und Wiener Stimmen und ein Plädoyer für Ambiguitätstoleranz, das Aushalten von anderen Meinungen, dem Akzeptieren von unterschiedlichen Erfahrungen und eine Aufforderung respektvoll miteinander zu diskutieren. Und das hat in dieser kleinen Intervention gut funktioniert. An einer Stelle konnten sich Besucher:innen dazu äußern, wie sie die Ausstellung wahrgenommen hatten oder wie sich ihre Welt nach dem 7. Oktober 2023 verändert hatte. Ein englischsprachiger Eintrag ist mir dabei ganz besonders in Erinnerung geblieben: „Ich bin nur ein jüdisches Kind, ich kann nichts verändern. Daher kann ich nur weinen.“ Einen Raum, der sich diesem Weinen und dem Entsetzen nach dem 7. Oktober 2023 aus jüdischer Perspektive widmete, gab es übrigens bereits in der Ausstellung „Die dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“, die uns unglaublich viele Zuschriften aus aller Welt und viele neue Verbindungen mit Menschen, deren Vorfahren aus Wien stammen, brachte – und uns trotz aller Unsicherheit die Sicherheit gab, dass das Jüdische Museum Wien ein so wichtiger Ort für viele ist – ein Ort, der Menschen miteinander verbindet.
Wie in der Intervention konnten unsere Besucher:innen sich auch in unserer Jubiläumsausstellung „G*tt. Die großen Fragen zwischen Himmel und Erde“ einbringen. Die dank vieler großzügiger Sponsor:innen mit einzigartigen Judaica und internationalen Kunstwerken ausgestattete Ausstellung näherte sich dem Phänomen Gott in sieben Fragen an und bot ganz unabhängig von der eigenen Beziehung zum Göttlichen genug Raum die großen Fragen unserer Existenz zu reflektieren und sich auch auf der interaktiven Station „Gottesfinsternis?“ gedanklich verewigen. Denn über den Zustand der Welt machen sich heute – ob gläubig oder nichtgläubig, ob jüdisch oder nichtjüdisch – viele Gedanken. Oft sind diese Gedanken mit Angst verbunden, wie unsere sorgfältig kuratierte gleichnamige Schau im Museum Judenplatz gezeigt hat, oder mit Gedenken, wie dies die folgende Ausstellung „Sag mir, wo die Blumen sind… 80 Jahre nach dem Krieg – Fotografien von Roger Cremers“, die noch bis zum 16. Jänner zu sehen ist, erfahren lässt. 2025 haben wir in Österreich 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs und damit die Befreiung vom Nationalsozialismus gefeiert. In ganz Europa gibt es Gedenkstätten und Orte, an denen den Gräueln des Kriegs und den Menschenverbrechen des Holocaust gedacht wir. Aber ist unsere unsere Gedenkkultur ausreichend? Was erinnern wir und was haben wir verdrängt? Und wie erinnern wir, wie verhalten wir uns im Gedenken? Um diese und viele andere Fragen geht es in den klugen Fotografien von Roger Cremers.
Jubiläen gehen zu Ende und sind gleichzeitig auch ein Beginn von etwas Neuem. Am 23. November haben wir das Jubiläumsjahr mit einem Tag der offenen Tür mit freiem Eintritt und einem dichten Führungs- und Vermittlungsprogramm begangen. So viele Menschen waren da, viele interessante Gespräche durfte ich führen, viele spannende Fragen beantworten. Besonders neugierig waren die Besucher:innen auf unsere neue Wechselausstellung „Schwarze Juden, Weiße Juden? Über Hautfarben und Vorurteile“ und für viele hat sich mit dieser Ausstellung eine neue (jüdische) Welt aufgetan – Sie können diese außergewöhnliche Schau noch bis April 2026 erleben.
Im Rückblick war das Jahr 2025 durch viele Unsicherheiten gekennzeichnet, aber es gab auch viele schöne Momente – innerhalb und außerhalb des Museums. Tolle Eröffnungen, spannende Diskussionen, etwa mit Ronen Steinke, Götz Aly oder Eva Illouz, schönes Feedback unserer Besucher:innen, Aktionstage (Seniorenmittwoch und Happy Friday), die gute Laune verbreitet haben, auch in einer schwierigen Zeit. Daran erinnern wir uns alle gerne, weil wir daraus Kraft und unsere Freude an der Museumsarbeit schöpfen – 2025 und auch nächstes Jahr.