26. März 2016
Nachgefragt

Nachgefragt... Gabriele Kohlbauer-Fritz

von Adina Seeger und Petra Fuchs für die Redaktion
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Im Jüdischen Museum Wien arbeiten täglich rund 40 MitarbeiterInnen daran, unseren BesucherInnen ein besonderes Museumserlebnis zu bieten. Die meisten von ihnen vor allem hinter den Kulissen. In der Rubrik „Nachgefragt“ stellen wir sie vor den Vorhang.
 
Heute dürfen wir Dr. Gabriele Kohlbauer-Fritz, Kuratorin und Sammlungsleiterin, vorstellen:
 
Ein typischer Tag im Jüdischen Museum Wien?
Die Tage können sich bei mir recht unterschiedlich gestalten. Das hängt davon ab, ob ich gerade an einer Ausstellung arbeite oder mich der Sammlung widme.
In letzterem Fall beschäftige ich mich intensiv mit einzelnen Objekten und vernetze mich auch mit KollegInnen aus anderen Institutionen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Diese Arbeit ist sehr zeitintensiv. Ich bin seit 1993 am Museum tätig und in diesen Jahren hat sich eine Vielzahl an neuen Zusammenhängen ergeben und wir haben so über die eigene Sammlung lernen können. Zum Beispiel besuchte ich die Eröffnung des Nationalmuseums in Warschau und entdecke dabei eine weitere Version eines Gemäldes, welches sich auch in unserer Sammlung befindet. Das hat schließlich dazu geführt, dass wir Neues über den Künstler und die Dargestellte erfahren konnten.
Am Beginn jedes neuen Ausstellungsprojekts steht viel Recherchearbeit in deren Zusammenhang ich auch andere Museen, Galerien usw. besuche. Die stressigen Tage sind dann meist kurz vor Eröffnung, wenn noch letzte Transporte zu organisieren sind oder der Ausstellungskatalog finalisiert wird.
 
Mit welchem Getränk starten Sie in den Museumstag?
Mit Kaffee und Wasser.
 
Was ist gerade Ihr aktuelles Projekt?
Mein nächstes Ausstellungsprojekt wird Genosse Jude sein. Wir thematisieren dabei die politischen Strömungen Marxismus bzw. Kommunismus und gehen der Frage nach, welche Rolle Juden darin eingenommen haben.
Die Sammlungsarbeit ist nie abgeschlossen: Nach der großen Inventur im vergangenen Jahr, gibt es nun noch einiges zu bearbeiten. Auch die Erweiterung der Sammlung ist ein aktuelles Thema, die, wie in jeder anderen kulturellen Institution, sehr von der finanziellen Unterstützung bzw. Großzügigkeit von Schenkungen abhängt.
 
Gab es einen besonderen beruflichen Moment, der Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Grundsätzlich liebe ich jede meiner Ausstellungen und finde die aktuellste meistens auch am besten, wie RINGSTRASSE. Ein jüdischer Boulevard.
Am meisten schätze ich die Zusammenarbeit mit meinen KollegInnen – sich gegenseitig zu unterstützen, und, vor allem, sich inhaltlich auszutauschen.
 
Ich finde, Museumsarbeit ist eine sehr privilegierte Arbeit, da sie mit viel Leidenschaft verbunden ist. Oft gibt es keine Unterscheidung zwischen beruflich und privat. Man denkt auch zu Hause weiter und manchmal kommt eine Idee über Nacht. Dabei mag ich besonders gerne Objekte, die viel über ihre Stifter oder Auftraggeber verraten. Was wäre wohl, wenn uns Objekte ihre eigene Geschichte erzählen könnten? Zum Beispiel der Tora-Vorhang im Andenken an Fanny von Arnstein, den ihr Mann nach ihrem Tod an den Stadttempel gestiftet hat. Fanny von Arnstein war eine bedeutende Wiener Salonière, in deren Haus Künstler, Schriftsteller, Diplomaten und Intellektuelle ein- und ausgingen.
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© Jüdisches Museum Wien
 
Titelbild © Jüdisches Museum Wien / Sebastian Gansrigler